Da im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) darüber diskutiert wird, alle niedergelassenen Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten demnächst zu verpflichten, im Rahmen des Qualitätsmanagements psychotherapeutischer Behandlungen routinemäßig auch psychometrische Verfahren (Tests) zur Einleitung der Behandlung und Dokumentation von Behandlungsergebnissen einzusetzen, wollten Ausschuss und Kammer darüber informieren und diskutieren.
Durch die Diskussion führte stellvertretend für den Vorstand der PTK Dr. Renate Degner. In seinen einführenden Worten versicherte der Kammerpräsident Michael Krenz, der Vorstand werde sich des Themas in seiner Arbeit zukünftig besonders annehmen. Anschließend verwies Prof. Dr. Fydrich (Humboldt-Universität zu Berlin, Sprecher des Ausschusses WFQ) in seinem Vortrag auf die Hintergründe und Vorteile des Einsatzes psychometrischer und weiterer standardisierter diagnostischer Verfahren in der Psychotherapie sowohl in rechtlicher als auch in qualitätssichernder Perspektive. Prof. Fydrich vertrat die Auffassung, psychometrische Verfahren könnten zwar die Seele als Ganzes nicht erschließen, dafür aber Aspekte von psychischem Leid, Persönlichkeit und Rollenverhalten erfassen, Beurteilungsfehler vermeiden und das Recht der Solidargemeinschaft auf Qualitätssicherung durchsetzen helfen.
Dipl.-Psych. Sabine Schäfer (Mitglied des Vorstands DPTV; Mitglied im Unterausschuss Psychotherapie im G-BA) hielt zwei Teilereferate. Im 1. Teil erläuterte sie sozialrechtlichen Aspekte der Erfassung der Ergebnisqualität psychotherapeutischer Behandlungen im Rahmen der Qualitätssicherung, und im 2. Teil befasste sie sich mit dem Thema Psychometrie in der niedergelassenen Psychotherapie - Beispiele für den praktischen Einsatz des "ICD-Symptomratings".
In ihrem ersten Vortrag erläuterte Frau Schäfer die aktuellen berufs- und sozialrechtliche Grundlagen der Qualitätssicherung. Während die Strukturqualität bereits durch die Ausbildung gesichert sei und die Prozessqualität durch die Berufsordnung, fehle eine Erfassung der Ergebnisqualität. Diese könne beispielsweise mit standardmäßig erhobenen Testverfahren, Patientenselbstauskünften und Abschlussberichte erfasst werden. Hierbei wies sie insbesondere auf den § 28 Abs.2 der Psychotherapierichtlinien hin, der die Vertragspartner der Psychotherapievereinbarungen (Krankenassen und KBV) auffordert, "ein Verfahren zur Dokumentation psychotherapeutischer Leistungen und zur Evaluation der Prozess- und Ergebnisqualität" zu etablieren". Von den anwesenden Mitgliedern wurde vor allem ein Entwurf des Dezernat 1 der KBV diskutiert, der am 29.05.2012 auf einer konzertierten Aktion der KBV vorgestellt wurde. Diese Modifikation der Psychotherapierichtlinie sieht u.a. eine Änderung der Kontingente bei der Bewilligung von ambulanten Psychotherapien, die Einführung eines verpflichtenden Einsatzes psychometrischer Verfahren im Rahmen des Gutachterverfahrens, eines möglichen Ersatzes oder eine Ergänzung des Gutachterverfahrens durch psychometrische Verfahren sowie eine standardisierte Dokumentation der Ergebnisqualität ambulanter Psychotherapie vor. Dieser Entwurf, der allerdings nur einen unter anderen darstellt, sieht im Detail für alle Verfahren verpflichtend vor, dass Begutachtung, Bericht und Testverfahren zunächst nach 10 probatorischen Sitzungen zu erfolgen haben und für die VT und TfP dann erneut nach 50 Sitzungen und in der AT nach 100. Dann könnte jeweils nur mehr ein Kontingent von circa 25 Sitzungen beantragt werden, nach dessen Ende wiederum ein Bericht verfasst und Testverfahren durchgeführt werden müssen. Eine KZT von 20 Sitzungen gäbe es dann nicht mehr.
Im zweiten Vortrag erläuterte Frau Schäfer an zwei eigenen Behandlungsbeispielen ihrer psychotherapeutischen Praxis den Einsatz der im KBV-Entwurf etablierten psychometrischen Verfahren (ICD-Symptomrating und Goal Attainment Scaling). Diese Verfahren böten für die Behandelnden den Vorteil, besser einschätzen zu können, ob sie alles im Blick oder etwas übersehen haben. Auch könnten sie sich Rechenschaft über Erfolg oder Misserfolg der Behandlung ablegen. Verwendet werden sollten möglichst kostenlose Testverfahren, deren Auswertung nicht zu umfangreich sei. Hierzu können unter www.sabineschaefer.com/90.html Artikel und auch Testmaterial downgeloaded werden.
Diskutiert wurde anschließend vor allem die Frage, wo in dem Entwurf der KBV die Tests nach der Auswertung aufbewahrt beziehungsweise ausgewertet würden.
Im letzten Vortrag erläuterte Prof. Dr. Svenja Taubner (International Psychoanalytic University, Berlin) die Probleme und Chancen psychometrischer Erhebungen aus psychodynamischer Sicht. Frau Prof. Dr. Taubner stellte eine eigene Studie zur Psychotherapieforschung vor und zeigte am Beispiel der Reflective Functioning Scale (RFS) von Peter Fonagy et al. und der Shedler-Westen Assessment Procedure SWAP, dass Psychometrie im Rahmen psychodynamischer Forschung sinnvoll eingesetzt werden kann. Im Rahmen eigener empirischer Untersuchungen habe sich ergeben, dass häufig geäußerte Bedenken bezüglich einer möglichen Störung der therapeutischen Beziehung durch Teilnahme an systematischer Psychotherapieforschung von den interviewten psychodynamisch arbeitenden Kolleginnen und Kollegen nicht bestätigt wurden.
Für den Ausschuss WFQ:
Prof. Dr. Angelika Ebrecht-Laermann unter Einbeziehung des Berichtes für die DV von Prof. Dr. Thomas Fydrich
Die Vorträge zur Veranstaltung können hier heruntergeladen werden.