Im ersten Vortrag gab Frau Dr. Ulrike Worringen, leitende Psychologin bei der DRV Bund einen Überblick über das Berufsfeld medizinische Rehabilitation für Psychologische PsychotherapeutInnen.
Zentrales Ziel der medizinischen Rehabilitation ist die Wiedereingliederung der Rehabilitanden in den Arbeitsprozess ("Reha vor Rente"). Die DRV Bund hat für die Rehabilitation ein großes Netz von stationären 950)und ganztägig ambulanten Reha-Einrichtungen(150)aufgebaut. Auf der Basis eines ausgearbeiteten Systems der Funktionsanalyse und -diagnose (ICF) wird ein umfassender Behandlungsansatz umgesetzt (bio-psycho-sozial), der die Wiederherstellung beziehungsweise den Erhalt der Erwerbsfähigkeit zum Ziel hat. Ein zentraler Baustein ist die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung, in der festgehalten wird, welche Fähigkeiten der Rehabilitand noch in den Arbeitsprozess einbringen kann.
Innerhalb des Krankheitsspektrums bei der medizinischen Rehabilitation stellen die psychischen Erkrankungen eine bedeutsame Gruppe dar. Daher haben PsychologInnen seit den Siebzigerjahren eine Rolle in der medizinischen Rehabilitation, die Bedeutung von Psychotherapie ist seit den Achtzigerjahren kontinuierlich gestiegen.
Die Kernaufgaben bestehen aus Diagnostik, Durchführung von Einzel- und Gruppengesprächen, Entspannungstraining, Beteiligung an Fallbesprechungen und Unterstützung der Ärzte bei der Rehabilitationsplanung. Ein bedeutsames Problemfeld ist die psychische Komorbidität in der somatischen Rehabilitation (Prävalenz 20,9 %). Hier sind die Psychologischen KollegInnen besonders im Hinblick auf Differentialdiagnostik und die sozialmedizinische Einschätzung gefordert. Im Bereich von Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen sind im Stellenschlüssel Psychologie vier bis fünf PsychologInnen für 100 PatientInnen vorgesehen.
Damit sich Psychologische PsychotherapeutInnen als Berufsgruppe in der medizinischen Rehabilitation weiter etablieren können, ist es wichtig, deren sozialmedizinische Kompetenz zu fördern. Entsprechende Inhalte, die unter Umständen schon in die Therapieausbildung eingebaut werden sollten, umfassen die Grundlagen von Rehabilitation und Sozialrecht, die Information über Instrumente der erwerbs- und arbeitsplatzbezogenen Leistungsbeurteilung. Die Fähigkeit zur strukturierten Arbeitsplatzanalyse und der Erstellung von Funktionsdiagnosen (ICF). Wichtig ist auch das Thema Beschwerdevalidierung/Konsistenzprüfung, die Formulierung von Befunden und die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Vorgehensweisen und Kommunikationsstrukturen innerhalb eines Reha-Teams einzuarbeiten. Da psychische Störungen zunehmend für Erwerbsminderung verantwortlich sind, kommt unserer Berufsgruppe hier eine wachsende Bedeutung zu.
Im zweiten Vortrag berichtete Frau Marie-Luise Delsa, ärztliche Dezernentin bei der DRV Bund über Psychologische PsychotherapeutInnen in der Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankungen. Die DRV Bund betreibt oder belegt nach aktuellem Stand 200 stationäre und circa 50 ganztägig ambulante Einrichtungen mit dem Schwerpunkt Suchtbehandlung (Alkohol, Medikamente und Drogen). Im Jahr 2010 wurden in diesen Einrichtungen mehr als 45.000 Patienten stationär und circa 10.000 ambulant behandelt (mit einem jeweils deutlichen Männerüberschuss bei den Patienten). Darüber hinaus gibt es 600 Beratungs- und Behandlungsstellen, in denen eine längerfristige, niederschwellige Betreuung erfolgt. Zum Erreichen des Therapieziels Suchtmittelabstinenz sind breitbandige Therapieverfahren entwickelt worden, die interdisziplinär umgesetzt werden. Die Psychotherapie bei Alkoholabhängigkeit wird ergänzt durch indikative Therapien (bei psychischer Komorbidität, zur Verbesserung der psychosozialen Kompetenz), angehörigenorientierte Interventionen, Sport- und Bewegungstherapie, Gesundheitsbildung und Schulung, Ernährungsschulung und -beratung. Abgerundet wird das therapeutische Programm durch künstlerische Therapien, die Förderung sozialer Integration durch Ergotherapie und durch arbeitsfeldbezogene Leistungen (Klinische Sozialarbeit).
Im Schlussvortrag sprach Dr. Kai Baumann über Psychologische PsychotherapeutInnen in der psychosomatischen Rehabilitation. Er skizzierte seine Arbeit im Rehazentrum Seehof in Teltow (Abteilung Verhaltenstherapie und Psychosomatik), mit 100 stationären und 15 teilstationären PatientInnen. Fünf PsychotherapeutInnen teilten sich vier Stellen. Die zentralen Aufgaben bestehen in Einzel- und Gruppentherapie, Infoveranstaltungen für PatientInnen und der Erstellung der Entlassungsberichte, in denen eine sozialmedizinische Beurteilung mit genauer Begründung zur Arbeitsfähigkeit gegeben werden soll. Diese Berichte erfordern nach Auskunft des Referenten enorm viel Zeit. Neben der Erfüllung von organisatorischen Aufgaben, besteht auch die Möglichkeit zu wissenschaftlichem Arbeiten (z.B. Evaluation der Therapieprogramme). Wichtiger Teil der Arbeit ist die Koordination der Behandlung mit anderen Teammitgliedern, die ebenfalls einen erheblichen Teil der Arbeitszeit beansprucht (Teamsitzung, Klinikkonferenz, Klinikweiterbildung, interne und externe Supervision). Für die Arbeit bestimmend sind die relativ kurzen Behandlungszeiten (vier bis sechs Wochen) und die gelegentlich eher unwillige Beteiligung der PatientInnen an der Behandlung. Daher kann es zu Konflikten kommen, wenn es um die Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit geht, die in der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung ihren Niederschlag findet. Die Balance zwischen sozialmedizinischer Beurteilung und therapeutischer Beziehung ist ein wesentliches Spannungsfeld.
Prof. Dr. Armin Kuhr, Vorstand
Die Vorträge der Veranstaltung als pdf: