In mehreren Gremien und Ausschüssen (Vorstand, Geschäftsführung, Finanzausschuss und Delegiertenversammlung) wurden notwendige und mögliche Veränderungen der Beitragsordnung diskutiert und auf Machbarkeit und Sinnhaftigkeit geprüft. Schließlich wurde mit der Einführung einer zweiten Ermäßigungsstufe die Beitragspflicht für weniger einkommensstarke Mitglieder degressiv gestaffelt.
Hintergrund dieser Entscheidung war insbesondere der Umstand, dass die bisherige Beitragsordnung die wirtschaftliche Situation von Mitgliedern nur ungenügend berücksichtigte. Es gab weder die Möglichkeit einer stärkeren Beitragssenkung für einkommensschwache Gruppen, noch die Möglichkeit des Beitragserlasses bei besonderen Härtefällen.
Armut und Armutsgefährdung als neue Kriterien
Als Richtschnur für die Festlegung der neuen Einkommensgrenzen für die Bewilligung einer Beitragsermäßigung dienen die Armutsgrenzen, die der 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2008 definiert. Hier wurde deutlich, ab welchen Einkommensgrenzen Menschen in Deutschland in Armut leben oder von Armut bedroht sind.Die dargestellten Armuts- und die Armutsgefährdungsgrenze sind keine starren Einkommensgrößen, sondern korrelieren mit der Einkommensentwicklung in Deutschland. Will man diesen Grenzen folgen, bedarf es Schwellenwerte, die sich dynamisch entwickeln. Mit der Koppelung der Schwellenwerte an die Bezugsgröße für die Sozialversicherung gemäß § 18 SGB IV wurde eine entsprechende Möglichkeit gefunden. Die Bezugsgröße der Sozialversicherung wird jährlich unter Berücksichtigung der Entwicklung der Reallöhne von der Bundesregierung festgesetzt und entspricht dem durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen in Deutschland.
Wer 45% des Durchschnittseinkommens (also der Bezugsgröße) verdient, ist von Armut gefährdet, wer unter 30% des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat, lebt in Armut. Diese Grenzen sind die neuen Grenzen für die Beitragsermäßigungen der Kammer.
Der Schwellenwert für den ermäßigten Beitrag I beträgt 45% der Bezugsgröße und entspricht in seiner konkreten Summe der Armutsgefährdungsgrenze des III. Armuts- und Reichtumsberichts. Der Schwellenwert für den ermäßigten Beitrag II beträgt 30% der Bezugsgröße und entspricht der Armutsgrenze des Berichts. 2009 beträgt die Bezugsgröße 29.820 €, für 2009 gelten daher die Schwellenwerte von:
- 13.419 € jährlichem Gesamteinkommen für den ermäßigten Beitrag I in Höhe von 85 €,
- 8.946 € jährlichem Gesamteinkommen für den ermäßigten Beitrag II in Höhe von 0 €.
Kinder werden zusätzlich berücksichtigt. Pro halbem Kinderfreibetrag erhöhen sich die jeweiligen Einkommensgrenzen um 1.491 €.
Bei der Ermäßigungsentscheidung wird die finanzielle Bedürftigkeit anhand des jährlichen Gesamteinkommens festgestellt. Dies ist in § 16 SGB IV definiert und umfasst die "Summe der Einkünfte" bzw. den "Gesamtbetrag der Einkünfte" laut Einkommenssteuerbescheid.