"Viele der Menschen, die Krieg, Gewalt und Folter erlebt haben, sind traumatisiert und brauchen professionelle Hilfe", stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz fest. "Professorin Knaevelsrud hat mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit und ihrem versorgungspolitischen Engagement große Dienste geleistet, um traumatisierten Menschen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Krisenregionen selbst zu helfen. Lange bevor Flüchtlinge zu einem dringenden politischen Thema wurden, hat sie sich für deren psychotherapeutische Versorgung eingesetzt und damit sogar auch Hilfsbedürftige im irakischen Bürgerkrieg erreicht. Besser lässt sich unser Credo ‚Jeder Mensch und erst recht jeder kranke Mensch ist es wert!‘ nicht umsetzen."
Millionen Menschen auf der Welt leiden unter Krieg, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Viele versuchen, dem Schrecken zu entfliehen. Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Andere harren dort aus, wo Tod und Schrecken alltäglich sind. Seelische Verletzungen sind dabei unvermeidlich. Häufig wirken sie wie das kleinere Übel. Ein Übel sind sie trotzdem und ihre Behandlung bleibt menschliche und medizinische Pflicht. "Für traumatisierte Menschen in Kriegsgebieten gibt es häufig vor Ort keine professionelle Hilfe. Die Menschen dort bleiben mit ihrem seelischen Leid, ihren Albträumen und Ängsten allein", so Munz. "Bei Professorin Knaevelsrud beeindruckt, dass sie nicht nur die Behandlungsmöglichkeiten für geflohene traumatisierte Menschen hier in Deutschland weiterentwickelte, sondern, dass sie auch an die weit entfernten Patienten in den Kriegs- und Krisenländern gedacht hat."
Prof. Christine Knaevelsrud studierte in Amsterdam und New York Psychologie. Ihre Promotion zur Wirksamkeit von internetbasierten Interventionen bei posttraumatischen Belastungsstörungen schloss sie 2005 an der Universität Zürich ab. Sie ist Psychologische Psychotherapeutin und Professorin für Klinisch-Psychologische Intervention an der Freien Universität Berlin. Von 2007 bis 2010 leitete Prof. Knaevelsrud die Forschungsabteilung am Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin. Dort war sie maßgeblich an der Entwicklung, Evaluierung und Verbreitung der internetbasierten arabischen Schreibtherapie Ilajnafsy für traumatisierte Menschen im Irak beteiligt. Patienten werden von arabischsprachigen Therapeuten in Europa und sicheren Nachbarstaaten über das Internet angeleitet, sich schriftlich mit dem traumatischen Ereignis auseinanderzusetzen und es neu zu verarbeiten. Mittlerweile gibt es auch Behandlungsanfragen aus Syrien, den palästinensischen Gebieten und dem Sudan.
In Deutschland war Prof. Knaevelsrud an der Entwicklung eines speziellen computergestützten Diagnoseinstruments beteiligt, das Patienten, die nicht lesen und schreiben können, die Fragen in der Muttersprache vorliest und eine Antwort per Touchscreen ermöglicht. Sie untersuchte, welche Auswirkungen die Anhörungen im Asylverfahren auf die Gesundheit traumatisierter Flüchtlinge haben und sie schuf Behandlungsprogramme, unter anderem für traumatisierte Menschen, die z. B. aufgrund von Folter unter chronischen Schmerzen leiden. Prof. Knaevelsrud beschäftigte sich auch mit der Bedeutung von Vergebung im psychotherapeutischen Prozess und war an der Entwicklung der S3-Leitlinie für posttraumatische Belastungsstörungen beteiligt.
Der Diotima-Ehrenpreis der deutschen Psychotherapeutenschaft wird einmal im Jahr an Personen oder Organisationen verliehen, die sich in besonderem Maß um die Versorgung psychisch kranker Menschen verdient gemacht haben. Der Preis ist nach Diotima aus Mantinea benannt, einer mythischen Priesterin der Antike. Sie gilt als Lehrerin des Sokrates, die ihn dazu inspirierte, als erster Philosoph die Seele des Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens und Lehrens zu stellen.