Welche Rechte Patientinnen und Patienten haben, ist momentan an vielen Gesetzesstellen geregelt, z.B. in allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), in den Sozialgesetzbüchern, in den Bundesmantel-verträgen und stark durch Rechtssprechung (Urteile des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesgerichtshofs). Das geplante Patientenrechtegesetz, das derzeit von der Bundesregierung als Eckpunktepapier vorliegt, will mehr Transparenz für Patienten schaffen. Gleichzeitig soll dafür gesorgt werden, dass Risiko- und Fehlervermeidungssysteme komplexe medizinische Behandlungsabläufe sicherer machen. Da Behandlungsfehler nicht immer zu vermeiden sind, sollen Patienten eine verlässliche Unterstützung im Rahmen von Beschwerde- und Schlichtungsverfahren erhalten. Das Patientenrechtegesetz soll als "Artikelgesetz" gestaltet werden, d.h. es wird kein eigenes Gesetzbuch geben, sondern Änderungen in bereits bestehenden Gesetzen.
Was sieht das geplante Patientenrechtegesetz konkret vor?
- Der Behandlungsvertrag soll ausdrücklich als eigener Vertragstyp im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert werden. Ferner sollen die Rechte und Pflichten aus dem Behandlungsvertrag geregelt werden. Bisher sind diese durch die Rechtssprechung geprägt. Beispiel: "Der Arzt (der Psychotherapeut) hat den Patienten über die zur Erstellung der Diagnose erforderlichen Maßnahmen, die Diagnose und die beabsichtigte Therapie aufzuklären. Verstößt er hiergegen, so ist eine Einwilligung des Patienten in die Behandlungsmaßnahme unwirksam" (zitiert aus dem Eckpunktepapier).
- Die bisher schon bestehenden Aufklärungs- und Dokumentationspflichten sollen gesetzlich geregelt werden. Patienten sollen vor einer Behandlung grundsätzlich über die Art der Behandlung und über etwaige Risiken aufgeklärt werden. Die Aufklärung hat in einem persönlichen Gespräch zu erfolgen. Auch das bisher schon bestehende Einsichtsrecht in Behandlungsunterlagen soll künftig ausdrücklich gesetzlich geregelt werden. Patientenakten sollen auf eigene Kosten kopiert werden können.
- Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme sollen im Sinne einer effektiven Qualitätssicherung sowohl im Bereich der stationären als auch ambulanten Versorgung gestärkt werden.
- Kodifizierung eines umfassenden Haftungssystems insbesondere zur Beweislastverteilung: Die bisher von der Rechtssprechung geprägte Beweislastverteilung soll ausdrücklich gesetzlich geregelt werden. Beispiel für eine Beweislastumkehr: "Im Falle eines für den Schadenseintritt ursächlichen Behandlungsfehlers wird das Verschulden der/des Behandelnden grundsätzlich vermutet. Dann ist es die Aufgabe der/des Behandelnden darzulegen und ggf. zu beweisen, dass sie/ihn kein Verschulden trifft." (zitiert aus dem Eckpunktepapier).
- Die Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlerverdacht sollen gestärkt werden: d.h. einheitliche Schlichtungsverfahren für betroffene Patientinnen und Patienten sowie für die Behandelnden, bei denen sie zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung kommen. Die Länder und die ärztliche Selbstverwaltung sind aufgefordert, auf einheitliche und transparentere Verfahren unter Einbindung von Patientenvertreterinnen und -vertretern hinzuwirken.
- Stärkung der Patientenbeteiligung: Patientinnen und Patienten sollen an bestimmten, sie betreffenden Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie weiterer Gremien der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt werden.
- Patientinnen und Patienten sollen über ihre Rechte informiert werden. Seit dem 01.01.2011 hat der GKV-Spitzenverband die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) dauerhaft zu fördern. Für Patienten sollen verlässliche und kostenfreie Informations- und Beratungsangebote bereit gestellt werden.
Unter Vertreterinnen und Vertretern der Landespsychotherapeutenkammern wurde das geplante Gesetz im Rahmen einer Informationsveranstaltung am 28.09.2011 kontrovers diskutiert.
Nach Ansicht von Andrea Mrazek, Vizepräsidentin der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer, habe das Patientenrechtegesetz "noch Luft nach oben". Das Patientenrechtegesetz könne einen sinnvollen Beitrag für die Versorgung von psychisch kranken Menschen leisten, in bestimmten Bereichen gebe es jedoch Nachbesserungsbedarf. So bei der Gestaltung der Behandlungsvereinbarung. Es sollte z.B. einen durchsetzbaren Behandlungsanspruch auch für Fälle geben, wenn Patienten nicht mehr in der Lage sind, selbst Entscheidungen zu treffen. Bei Behandlungsmethoden sollte es eine patiententaugliche Transparenz geben: Stationäre Einrichtungen sollten z.B. verpflichtet werden, vor der Aufnahme Informationen zur Art der Behandlung zur Verfügung zu stellen. Auch die Rechte von Kindern als Patienten müssten nach Ansicht von Mrazek verbessert werden. Für eine psychotherapeutische Behandlung von Kindern sollte die Zustimmung von nur einem Elternteil möglich sein, ohne dass das Gericht eingeschaltet werden muss.
Dr. Martin Stellpflug, Justitiar der Bundespsychotherapeutenkammer, fasste die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen für die Schlichtungsverfahren bei einem Behandlungsfehlerverdacht und bei einem Berufsrechtsverstoß zusammen. Entsprechend des Eckpunktepapiers zum Patientenrechtegesetz sollen die Länder und die Selbstverwaltung auf einheitliche und transparentere Verfahren unter Einbindung von Patientenvertretern hinwirken. Eine Vereinheitlichung ließe sich schwierig realisieren, da es in den Ländern unterschiedliche Regelungen zur Zuständigkeit gebe. Im Sinne der Berufsaufsicht und des Berufsrechts haben sich in den einzelnen Psycho-therapeutenkammern sehr unterschiedliche Beschwerdemanagement- und Schlichtungsverfahren etabliert. Bei einer Vereinheitlichung des Schlichtungsverfahrens wären die Heilberufs- und Kammergesetze der einzelnen Länder zwingend zu beachten.
Ferner sprach sich Stellpflug für eine einheitliche Reihenfolge bei der Anwendung der drei unterschiedlichen Verfahrenstypen aus:
A) Berufsrechtliche Verfahren (Ziel: Sanktionierung berufsrechtlicher Verfehlung; in Berlin: Bearbeitung des Konfliktfalls durch den Untersuchungsausschuss bzw. den Vorstand)
B) Schlichtungsverfahren nach dem Heilberufegesetz (Ziel: Konfliktbeilegung und Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens; in Berlin Bearbeitung des Konfliktfalls durch den Schlichtungsausschuss)
C) Schlichtungsverfahren nach dem Patientenrechtegesetz (mit Patientenvertreter) (Streitigkeiten zwischen Patient und Therapeut wegen Behandlungsfehlerverdacht)
Aus seiner Sicht sollten die Schlichtungsverfahren immer an erster Stelle stehen.
Nur Behandlungsfehler: erst C dann A
Behandlungsfehler und weiterer Berufsrechtsverstoß: erst C dann A
Nur Berufsrechtsverstoß, kein Behandlungsfehler: erst B dann A
Welche Rolle die Unabhängige Patientenberatung (UPD) einnehmen kann und wird, muss letztlich die Praxis zeigen. Sicherlich wird die UPD kraft Patientenrechtegesetz die einzelnen Schlich-tungswege aufzeigen, doch selbst schlichten kann sie die Beschwerden nicht. Bei Patientenan-fragen können die 22 Beratungsstellen der UPD lediglich Informationsaufgaben und eine Art Lotsenfunktion für mögliche Beschwerdewege übernehmen. Sie können eine Art "Seismograph" für häufig wiederkehrende Beschwerden sein. Über regelmäßige Auswertungen sollen die gesundheitliche Versorgung von Bürgerinnen und Bürgern verbessert und Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen korrigiert werden.
Die Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Landeskammern waren sich darüber einig, dass eine Vereinheitlichung der Schlichtungsverfahren in den Ländern sinnvoll, jedoch schwierig umzusetzen sei. Es sollte diesbezüglich möglichst viele "Freiheitsgrade" geben. Die Einbindung eines Patientenvertreters (von der UPD) bei Schlichtungsverfahren solle nicht eine "Soll-Vorschrift" sondern eine "Kann-Vorschrift" sein. Patienten sollten selbst entscheiden können, ob sie für die Durchsetzung ihrer Rechte weitere Verstärkung in Anspruch nehmen möchten oder nicht. Die Regelung zur Beweislast-Umkehr wurde so interpretiert, dass diese sich nur auf grobe Behandlungsfehler beziehe - nicht pauschal auf alle Beschwerden. Eine lückenhafte Dokumentation könnte zur Beweislastumkehr führen.
Der Referentenentwurf zum geplanten Patientenrechtegesetz wird noch im Herbst 2011 erwartet.
Bericht von Dr. Beate Locher Referentin für Öffentlichkeitsarbeit 17.10.2011