Welche Art von Unterstützung und/oder Behandlung bietet die Ambulanz?
Die Hochschulambulanz für Psychotherapie, Diagnostik und Gesundheitsförderung der Freien Universität Berlin hat ihren Schwerpunkt auf der verhaltenstherapeutischen Behandlung von Menschen mit sozialen Ängsten. Die diagnostische Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern fällt häufig wegen der hohen Komorbiditätsraten schwer - über die Hälfte unserer Patenten mit sozialen Ängsten leidet beispielsweise auch unter Depressionen. In letzter Zeit kommen darüber hinaus viele Menschen mit Persönlichkeitsstörungen zu uns. Für diese Personengruppen bieten wir in der Ambulanz Einzeltherapien an. Für die Bewältigung sozialer Ängste werden im Rahmen eines Forschungsprojekts zusätzlich Gruppentherapien angeboten. Diese können auch von Patienten genutzt werden, die bei anderen niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in Behandlung sind.
Neben therapeutischen Angeboten gehören auch Diagnostik und Gesundheitsförderung zu unseren Aufgaben. So werden beispielsweise von niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen Patienten zu umfassenden diagnostischen Abklärungen überwiesen. Im Bereich Gesundheitsförderung findet bei uns zurzeit eine Gruppe zur besseren Bewältigung des Übergangs in den Ruhestand statt. Andere Angebote, beispielsweise zur Stressbewältigung, sind geplant.
Wie finanzieren Sie sich und sind Ihre Angebote kostenpflichtig?
Die Hochschulambulanz ist eine Einrichtung der Freien Universität Berlin. So wurden die Räumlichkeiten von der Universität zur Verfügung gestellt und neu eingerichtet. Die psychotherapeutischen und diagnostischen Leistungen können mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Die Maßnahmen zur Gesundheitsförderung werden durch Beiträge von den Teilnehmern finanziert. Wir versuchen jedoch, die Kosten hier niedrig zu halten.
Wer führt die Therapien in der Ambulanz durch?
In der Ambulanz arbeiten eine fest angestellte Psychotherapeutin sowie 10 approbierte psychologische Psychotherapeut/inn/en mit unterschiedlicher Stundenzahl. Voraussetzung für die Mitarbeit ist ein ausgeprägtes Interesse an Forschung, sowie Offenheit für die Evaluation der eigenen Arbeit. Zur Sicherung der Qualität werden u. a. in regelmäßigen Abständen Tests und/oder Befragungen mit den Patienten durchgeführt und Therapiesitzungen werden auf Video auf gezeichnet. Dazu kommen dann noch Supervision, Intervision und Fallkonferenzen.
Wie werden potentielle Patienten auf Sie aufmerksam?
Viele werden durch das Internet oder Berichte über die Forschungsprojekte auf die Ambulanz aufmerksam oder kommen über Empfehlungen durch Hausärzte und Kliniken zu uns. Nicht selten schicken uns auch niedergelassenen Psychotherapeuten Menschen, die sie aus unterschiedlichen Gründen nicht selbst behandeln können. Dabei handelt es sich oft um Patienten mit mehreren Vorbehandlungen sowie komplizierten Krankheitsverläufen, häufig mit komorbiden Persönlichkeitsstörungen.
Und wenn jemand Ihre Adresse oder Telefonnummer bekommen hat, wie geht es dann weiter? Wie lange sind die Wartezeiten für einen ersten Gesprächstermin?
Zu Beginn jedes Monats können Termine für ein erstes Gespräch vereinbart werden. Das geschieht in der Regel telefonisch. Da wir viele Anfragen haben und uns von der KV eine jährliche Fallbegrenzung auferlegt worden ist, kann es sein, dass diese Termine schnell vergeben sind.
Sie sind Leiterin der Psychologischen Ambulanz, aber auch Hochschullehrerin und Psychologische Psychotherapeutin. Die Nähe zur Universität ist also nicht nur eine räumliche, sondern es gibt sicherlich auch inhaltliche und konzeptionelle Verbindungen zu Forschung und Lehre. Wie sehen die aus?
Die Verbindung der Praxis zu Forschung und Lehre ist mir sehr wichtig. Es ist eine wichtige Aufgabe des Fachs Klinische Psychologie und Psychotherapie, dass wir psychotherapeutische Interventionen einsetzen, die auf den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft basieren. Ziel ist es, diese in der Praxis zu evaluieren, neue Interventionen zu entwickeln oder bestehende Therapieansätze weiter zu entwickeln. Dabei binden wir teilweise auch Studierende der Psychologie in Forschungsprogramme ein. Kooperationen gibt es beispielsweise mit der Langzeitstudie bei chronischen Depressionen des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt (LAC) unter der Leitung von Prof. Leuzinger-Bohleber und Prof. Hautzinger oder auch mit der Berliner Borderline-Versorgungsstudie in Kooperation mit der AWP Berlin, der Charité und der Humboldt Universität.
Die Verbindung zur Lehre sehe ich in der Einbeziehung der praktischen Arbeit in Vorlesungen und Seminaren. In meiner Vorlesung zur Klinischen Psychologie stelle ich Patienten aus der Ambulanz vor, und unsere Honorartherapeuten berichten vom Verlauf ihrer Therapien. Auch in Lehrveranstaltungen zur Diagnostik psychischer Störungen werden die Studierenden in die praktische Tätigkeit eingeführt. Insgesamt wird durch die Ambulanz der Praxisbezug des Studiums gesteigert, was die Qualität des Studiums deutlich verbessert und bei den Studierenden sehr gut ankommt.
Dass die Studierenden vom Einblick in die Praxis profitieren, kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber bringt die Verbindung von Praxis, Forschung und Lehre auch Vorteile für die Patienten?
Auf jeden Fall! Zum einen können wir den Patenten eine Behandlung anbieten, die wissenschaftlich fundiert ist und kontinuierlich evaluiert und supervidiert wird. Darüber hinaus haben z.B. einige sozial ängstliche Patenten davon profitiert, dass sie sich und ihre Lebens- und Leidensgeschichte in einem Seminar vorgestellt haben. Das haben wir im Einzelgespräch natürlich vorbereitet. Diese praktische Übung, in der sie sich ihren Ängsten stellen und neues Verhalten ausprobieren konnten, war für alle eine wichtige Erfahrung.
In den vergangenen zwei Jahren ist also schon sehr viel erreicht worden. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die nächsten Forschungsprojekte haben die Behandlung von Menschen mit schweren Traumatisierungen und die Diagnostik und Behandlung von Personen mit autistischen Störungen im Erwachsenenalter zum Inhalt. Auch die Arbeit mit Personen, die z.B. aufgrund von schwerwiegenden Brandverletzungen, Narben und Entstellungen haben, haben wir in den letzten Jahren u. a. in Kooperation mit dem Unfallkrankenhaus Berlin erforscht und möchten dieses Behandlungsprogramm auch in die Versorgung übertragen.
Um diese Projekte durchführen zu können, muss allerdings die durch den Zulassungsausschuss der KV gesetzte Fallzahlbegrenzung erhöht werden. Zurzeit müssen wir viele Patienten abweisen oder können die Projekte nicht starten, da wir an die Grenze der Fallzahl bereits erreicht haben.
In der Lehre wünsche ich mir einen weiteren Ausbau der Beteiligung von Studierenden in der Ambulanz. Für den Master Studiengang Psychologie mit dem Schwerpunkt Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Freien Universität ist dies fest eingeplant.
Freuen würde ich mich auch über eine engere Verbindung zu niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, an die wir unsere Forschungsergebnisse gerne weiterleiten möchten.
Liebe Frau Professor Renneberg, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Das Interview führte Brigitte Reysen-Kostudis.
Info und Wegbeschreibung:
www.fu-berlin.de/psychologische-ambulanz
Terminvereinbarung unter Telefon: 838 56345