Anlass der Veranstaltung war der Antrag der Gestalttherapie auf Nachvollzug ihrer wissenschaftlichen Anerkanntheit durch den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP).
Die Veranstaltung traf auf so großes Interesse, dass der Raum fast zu klein war, über 100 TeilnehmerInnen wollten sich über den aktuellen Stand der Gestalttherapie und ihrer wissenschaftlichen Anerkennung informieren.
Nach einer kurzen Eröffnungsrede von Inge Brombacher, der Ausschussvorsitzenden, gab Dr. Dipl.-Psych. Uwe Strümpfel (Berlin/Potsdam)einen sehr guten Überblick über die empirische Studienlage der Gestalttherapie. Sie umfasst 74 Forschungsarbeiten, davon 38 Wirksamkeitsstudien und 10 Metaanalysen. Als eine der wichtigsten Metaanalysen hob Strümpfel diejenige von Elliot et al. (2004) hervor. Auf der Basis von 112 Studien verglich dieser verschiedene humanistische Ansätze mit kognitiv-behavioraler Therapie. Elliot kam zu dem Schluss, dass sich humanistische und kognitiv-behaviorale nicht in der Effektivität unterscheiden.
Strümpfel hat eine Realanalyse des Hauptdatenpools von Grawe et al. (1994) vorgenommen, da dessen Ergebnisse wesentlichen Einfluss auf die berufs- und sozialrechtliche Anerkennung von Psychotherapieverfahren nach dem PsychThG hatte. Er kritisiert methodische Mängel bei Grawe, aber vor allem, dass Grawe umstrittene Schlussfolgerungen gezogen hatte, indem er die Überlegenheit der behaviorialen Therapie behauptet hatte. Nach Strümpfels Realanalyse ergaben sich aus Grawes Datenpool dass die humanistischen Therapien "relativ zur Anzahl vorgenommener Messungen häufiger signifikante Ergebnisse lieferten als behaviorale - und noch deutlicher -psychodynamische Verfahren." (Strümpfels Vortrag, S. 18)
Anhand der Forschungsarbeit von Leslie S. Greenberg von der kanadischen York-Universität, der als einer der führenden Psychotherapieforscher gilt, stellte er u.a. dessen prozessorientierte Forschungsmethode vor, die den gestalttherapeutischen und emotionsfokussierten Prozess sehr gut abbilden kann. Anhand eines Filmausschnitts aus einer Psychotherapie von Greenberg machte er dessen Prozessvariablen anschaulich deutlich. Am Ende seines Vortrages kritisierte Strümpfel die historische und empirische inadäquate Reduzierung der Richtlinienpsychotherapie auf die psychodynamische und die behaviorale Psychotherapie und den Ausschluss der Humanistischen Therapie.
Eckard Budde, Fulda, langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Gestalttherapie (DVG), sprach zur Theorie und Praxis der Gestalttherapie in ihrer aktuellen Ausprägung. Ausgehend von den philosophischen Grundlagen und Einflüssen der Gestalttherapie stellte er ihre zentralen Prinzipien wie:
Ganzheitlichkeit, Feldbezogenheit, Dialogische Grundhaltung, Phänomenlogische Haltung und Orientierung/Hier und Jetzt, die Orientierung am Prozess und existentielle, experientelle und experimentelle Orientierungen dar.
Darüber hinaus setzte er sich mit den verschiedenen Wirkfaktoren der Gestalttherapie auseinander. Anhand von Fallbeispielen machte er die gestalttherapeutische Arbeitsweise, insbesondere bei Trauma, plastisch und emotional berührend deutlich.
In der anschließenden Diskussion wurde von dem Ausschussmitglied Manfred Thielen darauf hingewiesen, dass sich humanistisch orientierte Verfahren und Methoden zu einer "Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie" www.aghpt.de zusammengeschlossen haben. Ihr gehören neben der DVG Verbände folgender Psychotherapieverfahren an: Gesprächspsychotherapie, Psychodrama, Körperpsychotherapie, Transaktionsanalyse, Integrative Therapie, Logotherapie/Existenzanalyse an.
Prof. Dr. Jürgen Kriz hat für die AGHPT einen Vorantrag auf Nachvollzug der wissenschaftlichen Anerkennung der Humanistischen Psychotherapie beim Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (WBP) gestellt (s. Psychotherapeutenjournal 4/11, S. 332 ff.). Die beiden Referenten unterstützen sowohl die AGHPT als auch ihren Antrag.
Das Feedback und die Evaluationsbögen zu dieser Veranstaltung waren durchweg positiv. Von einigen wurde lobend erwähnt, dass die Psychotherapeutenkammer bzw. der Ausschuss "Aus-, Fort-, Weiterbildung" interessante Veranstaltungen auch zu Psychotherapieverfahren macht, die berufs- und sozialrechtlich noch nicht anerkannt sind.
Im Folgenden können Sie sich die Vorträge herunterladen:
Ein Beitrag von:
Dr. Manfred Thielen
Delegierter und Redaktionsmitglied